Catherina Godwin – Hochzeitsreise
HOCHZEITSREISE Von Catherina Godwin Bunte Streifen der Felder wandten sich in rascher Flucht – Telegraphendrähte stiegen, fielen – eilend jagte der Zug durch die sonnenflimmernde Landschaft. Weit blaute der leuchtende Himmel Italiens. Spielende Lichter glitten über den Strauß vielfarbiger Rosen, der auf Lyzzies weißem Kleide ruhte. Sie band langsam Blüten und Knospen auseinander — die schon ein wenig ermattet an hohen...
Catherina Godwin: Zwei traurige Glossen
ZWEI TRAURIGE GLOSSEN Von Catherina Godwin I. ENTLOBT Da ich begriff — dieser Mann — lief ich weg. Ich lief die Treppe hinunter und weinte. Ich weinte aus einer großen Unruhe heraus, denn ich wußte, er würde mir Gutes tun, und ich habe mich gleich gepudert und einem anderen telephoniert, einem Kalten, einem Egoisten, einem Verräter von Klasse. Es ist unsäglich schwer für einen Enttäuschungsdressierten — unsäglich schwer...
Catherina Godwin: Die Mode im Gefühlsleben
Die Mode im Gefühlsleben von Catherina Godwin Gefühle, so glauben wir, müssten international sein, sie müssten über alles Zeitliche hinüber die Brücke in alle Zeiten sein. Doch sind die Gefühle bei den Völkern und ihren Kasten von den wechselnden Sitten gefärbt, von der schwankenden Moralauffassung beeinflusst, sie variieren in ihrem herrschenden Ausdruck, um es kurz zu sagen: auch sie sind der Mode unterworfen....
Zwei kurze Geschichten von Catherina Godwin
Zwei kurze Geschichten Von Catherina Godwin SPAZIERGANG Ein junges Paar ging über eine blumige Sommerwiese. Sie kamen an einen schmalen Bach, wo in durchsichtigem Wasser viele muntere Fische schwammen. Da sagte der junge Mann: sieh nur die vielen munteren Fischlein! – Das junge Mädchen aber mußte auf ein totes Fischlein schauen, dessen Leib blaß und reglos am Rande des Baches lag. Sie gingen weiter und kamen an einen großen Garten, wo...
Catherina Godwin über den Erfolg in der Kunst
ERFOLG Jagd nach Erfolg ist der Ehrgeiz der Zeit und die Gefahr für die Kunst und den Künstler, weil Gefahr für das künstlerische Gewissen. Einst glaubte der Künstler, daß der Erfolg ihm gegeben sei, damit er sich in seinem Werke vor den anderen beweise. Heute begreift er, daß ihm der Erfolg dazu dient, sich durch den Applaus der andern vor sich selbst zu beweisen. Der Erfolg wird zum Selbstzweck. Der krampfhaft nach Erfolg Jagende...